sans phrase - Zeitschrift für Ideologiekritik

Kritische Korrespondenzen. Theodor W. Adornos und Robert Minders Heideggerkritik

Frank Müller | Parataxis | Heft 19, Winter 2021/22

Minder ist also in der Zeit, als er den Kontakt mit Adorno suchte, bereits im Begriff, seine eigene Heideggerkritik in essayistischer Form zu formulieren. Adorno nimmt Minders Initiative begeistert auf, erinnert an die Möglichkeit, selbst in Frankreich publiziert zu werden, und er trifft Minder vermutlich auf einer Vortragsreise in Frankreich im Jahr 1958, die allerdings noch auf andere Einladungen zurückgeht. Unmittelbar danach beginnen über mehrere Briefe hinweg die Planungen für Minders Einladung ans Frankfurter Institut für Sozialforschung, wo Minder am 15. Juni 1959 einen Vortrag halten wird. Adorno berät Minder eingehend bei der Wahl des Themas und bis in die Formulierung des Titels hinein, wobei er auch seine Kritik am zeitweiligen Rückgriff Minders auf den Literaturhistoriker Josef Nadler, der im Nationalsozialismus seine Karriere steil fortsetzten konnte, nicht zurückhält, sondern Minders Vorgehen nur zu dem Zweck verstanden wissen will, dass durch ihn kultursoziologische Fragestellungen der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie entwendet werden.