sans phrase - Zeitschrift für Ideologiekritik

Conditio inhumana. Jean Améry und Jean-Paul Sartre

Miriam Mettler | Parataxis | Heft 19, Winter 2021/22

Das Postulat jüdischer Freiheit zur Wahl bei Sartre indes unterstellt eine Gleichstellung des Juden als Menschen selbst innerhalb einer Gesellschaft, die ihm diesen Status verwehrt. Die Grenze des Geistes wird von Sartre nicht eingestanden, der Geist im Zustand der Todesdrohung nicht an seine Voraussetzung – den Körper – zurückgebunden. Dies die Lüge der Sartre’schen Freiheitskonzeption, die zwar nicht den Geist absolut setzt, jedoch die Möglichkeit der absoluten Ohnmacht des Geistes angesichts der physischen Zurichtung nicht denken will. Zwar verleiht dieses Absehen von dem gesellschaftlichen Ausschluss der Juden – nicht nur aus der Gesellschaft, sondern aus der Menschheit – dem Text einen positiv-utopischen Gehalt: Wenn Sartre behauptet, die Metaphysik würde die Hauptsorge des Menschen sein, sobald die Menschen sich befreit haben, und kurz darauf dieses Privileg schon beim authentischen Juden vorzufinden behauptet. Jedoch spielt diese Annahme eines noch zu verwirklichenden Zustands wider Willen dem kritisierten Status quo in die Hände. Im Dienste des Prinzips Hoffnung wird eine utopische, weil vom Antisemitismus unabhängige Figur zur Realität erklärt und damit ein Zustand postuliert, in dem der Jude bereits von der Gefahr der conditio inhumana befreit ist.