Auch wenn es nach manchen deutsch-französischen Debatten und Kontroversen der letzten Jahrzehnte nach wie vor unwahrscheinlich erscheinen mag: Adorno selbst hatte keine Vorbehalte gegenüber Frankreich, er pflegte Zeit seines Lebens zahlreiche Kontakte nach Frankreich und er war an einem Austausch mit bestimmten französischen Intellektuellen sowie der Übersetzung und Rezeption seiner eigenen Arbeiten lebhaft interessiert. Mit dem Ende des Exils in den USA, nach der Entstehung der Dialektik der Aufklärung und großer Teile der Minima Moralia, stand er ab 1945 mit einer Reihe von französischen Freunden, Kollegen und Intellektuellen kontinuierlich in Kontakt. Er begann ab Mitte der 1950er Jahre erste Zeitschriftenartikel und Bücher in französischer Übersetzung zu publizieren und reiste ab Ende der 1950er Jahre für mehrere Vorträge nach Frankreich. Diese frühen Zusammenhänge einer französischen Adornorezeption fallen erst heute ins Auge, da Adorno nach dem Ende der strukturalistischen, poststrukturalistischen und postmodernen Moden in Frankreich auf großes Interesse stößt. Wie sich nun zeigt, hat dieser Zusammenhang eine eigene Geschichte. Diese Geschichte beginnt negativ und steht im Widerspruch zu Adornos ausdrücklichem Wunsch, in Frankreich als Theoretiker wahrgenommen zu werden. Sie verlief anfangs vereinzelt und zögerlich, enthielt verpasste Gelegenheiten und Irritationen. In diesem Sinne soll zuerst einmal skizziert werden, was die französische Adornorezeption entgegen naheliegenden Erwartungen nicht war.