Man muss aber auch historisch sehen, dass die deutsche Sozialdemokratie trotz verschiedentlicher Bemühungen, im Nachhinein ihre Geschichte zu renovieren, von Anfang an eine lassalleanische Partei gewesen ist, die auf der ganz falsch verstandenen hegelschen Staatsvergötterung aufbaut. Ferdinand Lassalle ist ja der Urvater der Sozialdemokratie und es wurde von Anfang an die marxsche Staatskritik ignoriert. Das ist es, was 1914 hervorbricht, und was die SPD natürlich niemals losgeworden ist. Es ist ein Mythos, dass die SPD jemals eine marxistische Partei gewesen sei. Das ist schon deswegen falsch, weil sie die marxsche Kritik an der Form Partei grundlegend ignoriert. Und das ist genau der Lassalleanismus, der dann nachher von den Leninisten übernommen wird, und der 1917 in Russland in der ersten sozialdemokratischen Planwirtschaftsrevolution in der Geschichte zum Durchbruch kommt. Man weiß ja, dass Lenins Begeisterung für die deutsche Post kein Zufall war; dass eben der Staatskult dort bis zum Äußersten getrieben wurde, was eben in der Geschichte nur Leute wie Anton Pannekoek, die Rätekommunisten überhaupt, Rosa Luxemburg und einige wenige andere klar gesehen haben. Von daher ist es auch verständlich, dass in demselben Augenblick, in dem eine lassalleanische, etatistisch-sozialdemokratische Macht verloren geht, der Rücksturz in die, ich sage mal, friedlich-schiedliche Staatsillusion stattfindet.