Der Narr und der Souverän

Der Narr indessen erdreistet sich, an seinem Recht auch dann noch festzuhalten, wenn durch die Etablierung eines Souveräns Gerechtigkeit positiv durchgesetzt werden soll. Er offenbart, dass die Gesetze der Natur »keine eigentlichen Gesetze sind«. Sein Schicksal unter dem Souverän allerdings ist schnell bestimmt: er wird »aus der Gesellschaft ausgeschlossen oder hinausgeworfen« und zurückgestellt in den »Kriegszustand, worin er zuvor war, in welchem er von jedem Beliebigen vernichtet werden kann, ohne daß dies eine Ungerechtigkeit wäre«. Die Behauptung, es gebe keine Gerechtigkeit, wird so von gerade dem Souverän wahr gemacht, dessen einziger Zweck die Friedenssicherung seiner Untertanen ist, und welcher doch die einzige Instanz sein soll, die Gerechtigkeit etabliert. Der Narr muss somit auch dem Gesellschaftsvertrag selbst – der Urvertrag, der alle späteren mit Gerechtigkeit affiziert – die Gerechtigkeit absprechen. Er negiert mit dem Vertrag gerade das Element der Rationalität des Souveräns. Die Erwägungen des Narren schieben den Akzent auf dessen vor-rationales Element, der voluntas: »Das Reich Gottes wird durch Gewalt erlangt – was aber, wenn es durch unrechtmäßige Gewalt erlangt werden könnte? Wäre es wider die Vernunft, es so zu erlangen, wenn es unmöglich ist, von ihm geschädigt zu werden? Und ist es nicht wider die Vernunft, so ist es nicht wider die Gerechtigkeit – oder aber die Gerechtigkeit kann nicht als Gut anerkannt werden.« Zwar ist der Souverän höchste Gewalt, aber er ist darum noch nicht höchste Gewalt für alle. Der Gesellschaftsvertrag könnte mit entsprechender Gewalt ungerechterweise gebrochen werden, ohne dass diese Handlung der Vernunft widerspreche. Da die Gerechtigkeit aber ein Vernunftgesetz ist, so kann der Vertragsbruch, da er ja mit der Vernunft vereinbar ist, selbst nicht wieder ungerecht sein. Der Begriff der Gerechtigkeit zerfällt so vor der Möglichkeit einer mit Gewalt verschwisterten Vernunft. Es ist aber gerade diese, welche Souverän und Gesellschaftsvertrag möglich macht. An der Figur des Narren und der Möglichkeit der Rebellion spiegeln sich die Paradoxien des Souveräns.

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