Die Arbeit des Filmemachers

Das ›Casting‹ gebot sich von selbst. Was die jüdischen Protagonisten betrifft, so war das Casting für mich zwingend, ich wollte nur Menschen der ›Sonderkommandos‹, einzig und allein. Diese Entscheidung hatte enorme Konsequenzen und hat sie noch immer: Diese Menschen waren die einzigen direkten Zeugen der Vernichtung ihres Volkes. Weil sie in der letzten Phase dabei waren, an der letzten Station des Vernichtungsprozesses, in den Gaskammern und Krematorien. Shoah, das habe ich schon tausendmal gesagt, ist kein Film über das Überleben und insbesondere kein Film über ihr Überleben, ihr persönliches Überleben. Das ist im Übrigen nicht mehr ihr Problem, wenn sie sich im Film äußern, sie sagen niemals ›ich‹, sie erzählen nicht ihre persönliche Geschichte, wie sie entkommen sind. Das war ein stilles Abkommen von tiefgreifender Bedeutung zwischen uns, darüber während der Filmaufnahmen nicht zu sprechen: Es bildete einen Teil der Form des Films, seiner Gestalt im eigentlichen Sinne, die unwiderruflich darüber entscheidet, was im Film Platz hat und was keinen Platz hat. Die Überlebenden sagen nicht ›ich‹, sie sagen ›wir‹, sie sind buchstäblich Sprecher der Toten. Dies ist der tiefe Sinn des Films, und aus diesem Grund hatte ich nach Erscheinen des Films solche Probleme mit den Überlebenden. Sie finden sich in Shoah nicht wieder: Dieser Film spricht nicht über sie.

Alle Ausgaben

→ Jetzt Abo abschließen

Newsletter

Gerne informieren wir Sie über Neuerscheinungen, Vortragsveranstaltungen, Rezensionen usw. usf. auch via E-Mail. Hierzu können Sie sich in unseren Newsletter eintragen. 
Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich!
magnifiercrossmenuarrow-up