»Eher als Maschine denn als Menschen…«

Insofern lassen sich die Geschichten um den Meisterdenker aus der Baker Street immer auch als literarischer Kommentar zu einer philosophischen Debatte und gesellschaftlichen Konjunktur verstehen: In seinem positivistischen, rein instrumentell-zweckgebundenen Denken bekennt sich die Figur Holmes nicht nur zu einer bestimmten Form von Rationalität; zugleich vereint er auf sich all jene Eigenschaften, die dem in die Subjektform gepressten Individuum von der wert- und warenförmigen Gesellschaftsformation des ausgehenden Liberalismus abgerungen werden. Doch Holmes erweist sich nicht nur hinsichtlich seiner mühselig internalisierten Verhaltensweisen – die in leicht abgewandelter Gestalt nach wie vor Gültigkeit beanspruchen können – als Archetyp des modernen kapitalistischen Subjekts, sondern auch, weil ihm der Transfer der dem Produktionsprozess entsprungenen instrumentellen Denkanforderungen auf sämtliche Lebensbereiche, die Verlängerung der Arbeitsmethode ins Private hinein, gelingt. Nicht nur, dass Holmes seine eigene Person vollständig in den Dienst seiner Detektivarbeit stellt; getreu dem liberalen Bildnis des sich in seiner Arbeit selbstverwirklichenden Subjekts empfindet er die bruchlose Identität von Arbeit und Leben gar als eine zu affirmierende, lustvolle. Aufgrund der sublimierenden Wirkung, welche die Arbeit für ihn hat, muss Holmes in seiner Vorstellung arbeiten, um leben zu können, da erst der durch die Produktivität erzielte Lustgewinn das Leben lebenswert macht. Indem die Arbeit – darin dem Drogenrausch ähnlich – in seinen Augen zuvorderst Lust und Glück suggeriert, gelingt ihm eine Triebbesetzung, die jedes Warensubjekt der Idee nach wollen muss: Arbeit als höchster, da luststiftender Sinn des Lebens.

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