Erinnerungen an Albert Memmi (1920–2020)

1949 zog Memmi die tunesische Unabhängigkeitsbewegung zurück in sein Heimatland, vom Universalisten wurde er graduell zum tunesischen Nationalisten und zum Mitbegründer des Magazins Jeune Afrique, dessen Kulturrubrik er mehrere Jahre redigierte. Doch seine Liebe für sein Heimatland wurde nicht erwidert. Nach der Unabhängigkeit 1956 wurde sehr bald der Islam offizielle Staatsreligion, das Erziehungssystem arabisiert und man ließ die Juden wissen, dass sie nicht erwünscht waren. Obwohl »wir da waren vor dem Christentum, und lange vor dem Islam« protestierte Memmi, wurden sie nicht als echte Tunesier betrachtet. Im neuen Staat machte eine Serie von antijüdischen Verordnungen den armen Juden die Existenz fast unmöglich. Memmis Hoffnungen auf eine laizistische, multikulturelle Republik gleicher Bürger wurden zerstört. Das hat ihn tief verwundet: »Der Grund, dachten wir, ist fest, doch er wurde uns unter den Füßen weggezogen.« Er brachte es so auf den Punkt: »[Tunesiens Präsident] Burgiba war vielleicht niemals judenfeindlich, aber seine Polizei kam immer zu spät, wenn die Geschäfte der Juden geplündert wurden.« Memmi und andere jüdische Intellektuelle mussten erkennen, dass sie sich geirrt hatten und die einfachen, zumeist religiösen Juden, die wenig Vertrauen in ihre muslimischen Nachbarn aufbrachten, Recht behalten sollten. Der Fehler der Intellektuellen, argumentierte er, war ihr Beharren darauf, dass sie nur Tunesier seien und ihr Vertrauen, dass ihre muslimischen Mitbürger sie als solche anerkennen werden.

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