»Seit Hitler sind die Juden … die Manövriermasse der Macht«, bemerkte Geisel. »Der Staat kann sie, je nach Konjunktur, verderben oder beschirmen, vernichten oder beschützen. Was im Feudalismus noch reine Laune des Herrschers war, das hat die moderne Exekutive planmäßig in Regie genommen. Ihr geht es, wenn sie Juden schützt oder opfert, anders als bei Hofe nicht um die Kasse, sondern um den seelischen Haushalt der Nation.« Auch im Erinnerungsgeschäft werden die Juden als Manövriermasse benutzt. Sind sie einem nützlich und bringen einen eigenen Gewinn, beruft man sich gern auf sie, wie im Fall des Berliner Holocaustdenkmals. Werden sie jedoch als störend empfunden, heißt es, die Erinnerung an die Judenvernichtung sei nicht mehr »zeitgemäß«. So geschehen in Österreich im Jahr 2021, als mehrere Zeithistorikerinnen und -historiker, die aufgrund »ihrer Positionen in renommierten heimischen Institutionen« lieber anonym bleiben wollten, darauf bestanden, dass ein Holocaustmahnmal, das nur jenen gedenkt, die »aufgrund der Nürnberger Gesetze verfolgt wurden«, ein »nicht mehr zeitgemäßer Zugang« sei. Heute gehe es um inklusives Gedenken, um zeitgemäße – das heißt: intersektionale – Erinnerungsarbeit.