Oskar Maria Graf ist heute integriert in weiß-blauer Urigkeit, verstaut in der Literaturgeschichte und patriotisch stilisiert zum Repräsentanten des »anderen Bayern«. Längst abgeklungen ist die postnazistische Phase »in diesem dunklen Land der Schweinemast und Autoindustrie«, als er noch als »Roter«, Emigrant und nestbeschmutzender Literat zum Pulk unerwünschter Personen zählte, und »so einer« besser auf der anderen Seite des Atlantiks blieb. Wie wenig er tatsächlich willkommen war, wurde Graf Ende der 50er Jahre klar, als er das erste Mal seit 1933 nach West-Deutschland zurückkehrte. Die zwangsdemokratisierten Deutschen hatten keinen Bedarf an einem wie ihm, der allein durch seine Anwesenheit die Frage stellen würde, welchen Anteil jemand an Gleichgültigkeit, Ausgrenzung und mörderischem Wahn im Dritten Reich hatte. Über seine Eindrücke schrieb er wenig später: »Was mich aber bei meinen Deutschlandbesuchen grade in der wirtschaftswunderlichen Bundesrepublik am meisten anwiderte, war, ganz abgesehen von einem bereits latent gewordenen Antisemitismus, das wiedererwachte, engstirnig provinzielle deutsche Tüchtigkeitsprotzentum, gepaart mit der durchgehenden spießbürgerlichen-nihilistischen Prasserstimmung. Nach uns die Sintflut. Hauptsache ist, mir gehtʼs gut.« Grafs mitunter rigorose Ansichten, seine antifaschistische Haltung und geistige Unbequemlichkeit, was seine Herkunft anbelangte, seine Weigerung also sich dem »Mia san mia« des selbstbezüglichen Bayern anzuschließen, führten zu bleibenden Irritationen, mitunter Feindseligkeit: »Er war nach dem Kriege politisch in der Bundesrepublik so wenig erwünscht wie literarisch. Die Politik war jene, die wir kennen; und wäre da nicht die unleugbare Bodenständigkeit dieses Oberbayern gewesen – man hätte versucht, ihn unmöglich zu machen.«