Naturen

Denn anders als der Begriff der Natur, der in ›freier‹ Natur nicht vorkommt, kommt der Begriff der Gesellschaft in der unfreien Gesellschaft sehr wohl vor, und das auszudrücken, ist ohne Anleihe bei Hegel gar nicht möglich. So heißt es in den Grundrissen: »Der Begriff des Reichtums ist so zu sagen in einem besondren Gegenstand realisiert, individualisiert«; und im Zweiten Band des Kapitals: »Abstraktion in actu«. Das Kapital ist das Haupt, in dem diese Abstraktion stattfindet, aber es denkt nicht; ist kein Gehirn, wie es menschliche Individuen haben, wodurch etwas gewusst oder nicht gewusst, wodurch also gedacht werden kann. Dass diese Individuen aber auch etwas tun können, was sie nicht wissen oder wissen wollen, ist Bedingung fürs Kapitalverhältnis, wenn auch keine hinreichende, und erzeugt den Schein, dass dieses Verhältnis in den Individuen denkt: »Sie wissen das nicht, aber sie thun es«, sagt Marx eben deshalb über die Menschen, soweit sie »ihre Produkte auf einander als Waaren« beziehen und darin gezwungen sind, »ihre verschiednen Arbeiten abstrakt menschlicher Arbeit gleichzusetzen«. Damit halten sie – ohne es zu wissen –, in ihrem Tun, in dessen Eigenschaft als »Funktion des Kapitals«, an einem Zweck über alle anderen Zwecke hinweg fest, und solange sie das tun, ist jenes Als-ob der Totalität in ein Id est verwandelt und die Totalität Wirklichkeit. Daran scheitert auch die Kantische Kritik der Urteilskraft, und zwar gerade dort, wo es unmittelbar um diese Gesellschaft geht: in den teleologischen Anmerkungen über Staat und weltbürgerliches Ganzes, Fortschrittsbegriff und Handelsgeist. Letzterer trägt seinen Namen nicht zufällig. Wenn sich Kant in der »Methodenlehre« seiner Kritik dem Politischen zuwendet, möchte er wieder vergessen machen, was er die Anhäufung der »Naturen« betreffend, die Natur heißt, doch für durchaus möglich halten muss: »ein rohes chaotisches Aggregat und nicht die mindeste Spur eines Systems« – obwohl »wir ein solches nach transcendentalen Gesetzen voraussetzen müssen«.

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