Es gibt eine Tradition des antijüdischen Tötungsfestes, das Pogrom ist der genuine Ausdruck einer antisemitischen Festkultur. Und immer war das Judenmorden auch von Aufwallung und Begeisterung begleitet, was sich ja schon in dem schrecklichen Wort »Pogromstimmung« ausspricht: Die temporäre Aufhebung des Gewaltverzichts stand im Zentrum des transgressiven Moments dieser antisemitischen Festkultur. Werner Bergmann hat sich an einer »Soziologie des Pogroms« versucht und kommt dabei auch auf dessen rituellen Charakter zu sprechen. Demnach sind Pogrome Formen rituellen Handelns, in denen es um die »Reinheit der Gesellschaft« gehe. Pogrome seien »Rituale der Gewalt«, »in denen die sonst geltenden Regeln und Hierarchien zeitlich begrenzt außer Kraft gesetzt oder gar auf den Kopf gestellt werden«, in denen die sonst geltende soziale Ordnung »für einen Moment verflüssigt« wird. Auch Adorno und Horkheimer schreiben in der Dialektik der Aufklärung: »Der Antisemitismus ist ein eingeschliffenes Schema, ja ein Ritual der Zivilisation, und die Pogrome sind die wahren Ritualmorde.«