Politik mit Begriffen

»Zivilisation in ihrer staatlichen Gestalt macht zu ihrem Subjekt nicht den freien sich mit anderen freien Subjekten zum gegenseitigen Nutzen austauschenden Privatmann, sondern den Untertan, der angetreten ist, die Krisen des Kapitals mit den Mitteln des Kapitals zu meistern.« Dagegen setzt man als Sinn und Zweck die »Einführung einer Produktion, die keine Waren, sondern Gebrauchsgüter schafft«, als ob Waren keine Gebrauchsgüter wären und als ob es nicht darauf ankäme, eben das Verhältnis zu bestimmen, in welchem der Ausschluss aller durch alle vom Genuss der »nützlichen Dinge« (Marx) beschlossen ist (wie wiederum Joachim Bruhn nicht müde wurde zu betonen). Solange dieses Verhältnis nicht seiner Form nach begriffen wird, sondern als eine ihrem ursprünglichen Sinn beraubte Produktion, bleibt auch die erhoffte Einführung einer Produktion, die keine Waren schafft, nolens volens an den Staat adressiert. Sie aber seiner Form nach zu begreifen, ist zugleich die Voraussetzung, Auschwitz nicht aus ihm abzuleiten, als handle es sich um Mehrwert; die Zäsur zu erkennen, mit der diese Taten noch die Bedingungen ihrer Möglichkeit hinter sich ließen, die sie mit dem Staat des Kapitals gemeinsam haben. Andernfalls kommt man in schlecht marxistischer Tradition zu dem Ergebnis, dass man es bei der nationalsozialistischen Politik nun eben doch nicht mit einem Bruch zu tun habe: »Kein Bruch mit der Zivilisation war die Vernichtung der europäischen Juden, nimmt man die für ihre Konstitution notwendige Produktionsweise nicht aus«. Über die Produktionsweise selbst gibt es dagegen Vermutungen, die in der Sprache der Verschwörungstheoretiker angedeutet werden, statt mit dem Marxschen Begriff des automatischen Subjekts; statt also real Abstraktes und politisch Konkretes zu unterscheiden: »Im Staat des Kapitals west zwar kein unpersönliches Subjekt, das dem Regierungspersonal einfach ihr [sic!] Handeln vorschreibt, und doch scheinen hinter ihrem [sic!] Rücken Kräfte am Werk zu sein, die nicht ›entlarvt‹ werden können. Es doch zu unternehmen lässt den Einzelnen bei der Suche nach den Urhebern seiner Angst auf pathische Projektion verfallen und auf die Suche nach dem Schädling im Haus ausgehen.« Der Ratschlag lautet offenbar, letzteres besser nicht zu unternehmen. Indem man aber selber von Kräften raunt, die hinter dem Rücken des Regierungspersonals am Werk seien, ohne sie zu bestimmen, außer dadurch, dass sie die Formen, in denen sie wirken, ihres ursprünglichen Sinns berauben müssen, hält man sich die Möglichkeit offen, bei Gelegenheit den politischen Feind und Sinnräuber wieder in ›Globalisten‹, ›Eliten‹ oder ›Impfregime‹ auszumachen, um sich der durch den Bahamas-Artikel möglicherweise vergraulten Gesinnungsgenossenschaft erneut zu versichern.

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