Der verschobene Plotpoint der Schirachschen Dramaturgie besteht aber darin, dass am Ende der fiktiven Diskussionen im Publikum real darüber abgestimmt wird, wer recht hätte beziehungsweise der Sieger wäre – in diesem Fall also darüber, ob der ärztlich assistierte Suizid, wie ihn sich Herr Gärtner wünscht, ermöglicht werden sollte. … Dieser ›Gimmick‹, mit dem Schirach das Publikum anlockt, tut offenbar im Kulturbetrieb seine Wirkung, wie auch der Rezensent der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung erstaunt feststellt: Durch das Stück Terror wurde der Autor in Deutschland zum meistgespielten Dramatiker, und Gott »brachte es im Corona-Jahr 2020 in nicht einmal zwei Monaten auf 99 Aufführungen an acht Theatern«. Die Gründe dafür sind in einer schlichten, gegen die Moderne gerichteten Dramaturgie zu suchen, die sich gerade darin als raffiniert erweist, dass sie auch den ideologischen Bedürfnissen des heutigen Theaterpublikums in Deutschland sehr entgegenkommt. Während traditionell der Schluss einer Tragödie als deren neuralgische Stelle erscheint, der Punkt, an dem der Autor nicht selten Farbe zu bekennen sich herausgefordert sieht, um die Frage zu beantworten, wie er es denn nun mit dem Staat halte, nimmt sich Schirach genau hier, am Ende seiner Stücke, als Souverän des Textes scheinbar zurück und verkündet in Brecht’scher Manier: Verehrtes Publikum, los, such’ dir selbst den Schluss – den er ihm aber längst eingeflüstert hat. Die Form ist auch dabei der niedergeschlagene Inhalt, denn der entpuppt sich als Verdrängung des Souveräns. Nur ist es eben keine ästhetische, wie sie Hegels Dialektik beschwört, sondern eine kulturindustrielle, der allein die Einsichten aus der Dialektik der Aufklärung gerecht werden können.