Triebstruktur und Ehrbegriff

Die Position, die diese selbsternannten Antirassisten im Streit um das Kopftuch einnehmen, ist aus diesem Grund besonders zynisch: Wird das blaming the victim zu Recht kritisiert, wenn es um Vergewaltigungen und sexuelle Belästigung durch den ›weißen Mann‹ geht, so wird im Falle der Verhüllung bei Musliminnen dasselbe Prinzip kritiklos als Ausdruck einer beschützenswerten Kultur entschuldigt und schlimmstenfalls zum subversiven Protestakt verklärt. Der paternalistisch-wohlwollende Gestus verrät bereits den antirassistischen Rassismus, der implizit den Frauen, die aus muslimischen Kulturen kommen, ihr Recht auf Schutz vor sexueller Gewalt durch die Gesellschaft abspricht. Derartigen Pseudofeministinnen fällt es dabei nicht einmal auf, dass sie die Verantwortung für den eigenen Opferstatus denjenigen Frauen zuweisen, die sich weigern, ein Exemplar im Kulturzoo des Westens zu bleiben. Anstatt – wie sie es bei jeder ›westlichen‹ Person tun würden – einzufordern, dass der Mann sich zusammenzureißen oder mit Strafe zu rechnen habe, wenn er sich dazu nicht in der Lage sieht, wird hier das ›Selbst-schuld‹-Konzept bereitwillig übernommen, um jene Frauen zu schützen, die es vertreten. Verleugnet wird deren Selbstunterdrückung in einem Akt der Identifikation mit dem Aggressor ebenso wie die Tatsache, dass sie ihrerseits Gewalt gegen jene Frauen ausüben, die sich diesem patriarchalen Prinzip nicht fügen wollen und die sie deswegen als ›legitime‹ Opfer ihrer Kultur zum Fraß vorwerfen.

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